SOMATIC EXPERIENCING
Ein Trauma ist im Nervensystem gebunden. Durch einschneidende Ereignisse hat dieses seine volle Flexibilität verloren. Wir müssen ihm deshalb helfen, wieder zu seiner ganzen Spannbreite und Kraft zu finden.
Peter Levine
Somatic Experiencing ® (SE) ist ein psycho-physiologisches Basiskonzept und arbeitet mit den instinktiven, biologischen Reaktionen des Nervensystems. Es handelt sich um einen ganzheitlichen, körperorientierten Ansatz zum Bearbeiten und Überwinden von überwältigenden Erlebnissen, von Schock, Trauma und deren Folgen.
Somatic Experiencing ® (SE) bietet die Möglichkeit, mit solch tiefgreifenden Erfahrungen besonders sanft und behutsam und dennoch in der Tiefe erfolgreich zu arbeiten, um traumatische Erfahrungen und Stress aufzulösen und zu transformieren.
Somatic Experiencing ® (SE) eignet sich für jene Menschen, die ihrem Körper zur eigenen Regulationsfähigkeit verhelfen möchten. Es hilft Betroffenen, Vertrauen in die innewohnende Weisheit des Körpers zu finden, zu erkennen und wertzuschätzen, um somit Verbundenheit im Innen und Außen zu gewinnen.
Somatic Experiencing ® wurde in den 1970er Jahren vom amerikanischen Traumaforscher Dr. Peter Levine entwickelt und seither kontinuierlich erweitert und aktualisiert.
Literatur
Traumaheilung. Das Erwachen des Tigers (Synthesis Verlag)
Vom Trauma befreien. Wie Sie seelische und körperliche Blockaden lösen (Kösel Verlag)
Sprache ohne Worte (Kösel Verlag).
Textquellen und weitere Informationen
Somatic Experiencing Deutschland e.V.
WAS IST EIN TRAUMA?
Ein Trauma ist eine biologisch unvollständige Antwort des Körpers auf eine als lebensbedrohlich erfahrene Situation.
Peter Levine
Ein Trauma ist jedes überwältigende Ereignis, das unsere Schutzhülle verletzt und uns mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes zurücklässt. Auslöser und Ursache eines Traumas kann alles sein, was unser Nervensystem überfordert: Zu vieles geschieht zu schnell.
Das Spektrum beginnt bei alltäglichen, unerwarteten Ereignissen und reicht von Unfällen und Stürzen, scheinbar geringfügigen Verletzungen und schweren Krankheiten, (zahn)medizinischen Eingriffen und Operationen, dem Verlust und Tod eines geliebten Menschen oder Tieres, der Vernachlässigung in der Kindheit, über das Erfahren von Gewalt und Krieg, Missbrauch und Vergewaltigung, bis hin zu Naturkatastrophen.
In all diesen Situationen stehen uns Menschen – genauso wie den Tieren –grundsätzlich drei angeborene Überlebensstrategien zur Verfügung: Kampf, Flucht oder Totstellen (Erstarren). Gelingen Kampf oder Flucht erfolgreich, so findet der Organismus auf natürliche Weise wieder sein Gleichgewicht. Ist ein Ereignis jedoch so überwältigend, dass wir weder kämpfen noch fliehen können, werden diese Reflexe zwar ausgelöst, kommen aber nicht zur Ausführung. Als letzte Möglichkeit greift der Totstellreflex und führt zur Erstarrung. Die zuvor mobilisierten Energien bleiben im Nervensystem gebunden und werden nicht entladen. Dies führt zu körperlichen und psychischen Symptomen der unterschiedlichsten Art.
WELCHE FOLGEN HAT EIN TRAUMA?
Wenn wir nicht mehr wissen, was wir tun sollen, kann es sein, dass wir unsere eigentliche Aufgabe vor uns haben. Wenn wir nicht mehr wissen, welchen Weg wir gehen sollen, kann es sein, dass wir unsere eigentliche Reise gerade beginnen. Der Fluss, der Hindernisse überwinden muss, singt.
Wendell Berry
Chronischer Stress und Trauma führen zu einer einengenden, blockierenden Reaktion im Körper, schwächen das Nervensystem und lähmen jede Form von Lebensenergie. Werden diese mobilisierten Energien nicht entladen, bleibt die hohe Aktivierung im Nervensystem gebunden und der Organismus reagiert, als würde die Bedrohung weiterhin noch bestehen.
In der Folge – und oft erst nach Jahren – zeigen sich Symptome, die schwerwiegend und chronisch werden können. Diese Empfindungen, Gefühle und Gedanken, Überzeugungen, Verhaltensmuster und Reaktionsweisen, die sich in der Gegenwart zeigen, sind oft mit den erschreckenden, überwältigenden Erfahrungen von Dort und Damals gekoppelt.
Für die Betroffenen entstehen verwirrende, beängstigende psychische und körperliche Symptome, beispielsweise Übererregbarkeit, Ängste, Panik, Bindungsunfähigkeit, Gefühle von Entfremdung, Erschöpfung, Burnout, Depression, Nacken- und Rückenprobleme, chronische Schmerzen, Migräne.
Ein Trauma kann jede Ebene unseres Lebens beeinträchtigen oder stören – körperlich, seelisch, geistig, spirituell und sozial.
WIE ARBEITET SE?
Ich bin fest davon überzeugt, dass Fleisch und Blut weiser sind als der Intellekt. Das Körperunbewusste ist der Ort, an dem das Leben in uns wallt. Es lässt uns spüren, dass wir lebendig sind, lebendig bis in die Tiefen unserer Seele und irgendwo im Kontakt mit den lebendigen Bereichen des Kosmos stehen.
D.H. Lawrence
Mit Somatic Experiencing ® (SE) wird das traumatische Ereignis körperlich und geistig neu „verhandelt“. Dabei ist nicht das Ereignis selbst entscheidend, sondern die Reaktionsweise des Nervensystems, d.h. wie die physiologischen Regulationskräfte des Nervensystems mit der Bedrohung fertig geworden sind.
Mit Somatic Experiencing ® (SE) ist es möglich, ohne Rückgriff auf Erinnerungen zu arbeiten, wenn das Ereignis zu belastend erscheint oder gar nicht erinnert werden kann.
Bei einer Behandlung steht meist das therapeutische Gespräch im Vordergrund, der Schwerpunkt meiner Aufmerksamkeit liegt jedoch auf den Informationen, die Ihr Körper und Ihr Nervensystem im gegenwärtigen Moment zeigen.
Die Behandlung kann im Sitzen, Stehen oder Liegen stattfinden. Dabei kann die therapeutische Berührung mit einfließen. Wichtig bei einer Therapie ist, dass Sie sich sicher fühlen, gehört und verstanden.
Wesentliche Elemente im Heilungsprozess sind Orientierung im Hier und Jetzt, Sicherheit, Erdung, Zentrierung, Ressourcenbildung, und das Nachspüren („innerer Beobachter“) der Körperempfindungen, Gefühle, Verhaltensweisen, Gedanken, Bilder und Bewegungen.
Zunächst werden mit dem Klienten jene Ressourcen entwickelt, die während der ursächlichen Situation gefehlt haben oder unzureichend waren. Auf dieser gestärkten Basis erfolgt dann die behutsame Annäherung an das traumatische Ereignis.
Eine mögliche Re-Traumatisierung bei der Aufarbeitung wird vermieden, indem die im Körper gebundene, „eingefrorene“ Energie schrittweise „aufgetaut“, das heißt gelöst wird und sich u.a. in Form von Wärme, Zittern, Bewegungen, veränderter Atmung zeigt.
Durch „Pendeln“ zwischen den Ressourcen und der überwältigenden Erfahrung ist es dem Körper möglich, die Reaktion auf die Bedrohung von damals neu zu verhandeln und zum Abschluss zu bringen. Auf diese Weise findet das Nervensystem wieder zu seiner ursprünglichen Regulationsfähigkeit, die Symptome können sich lösen, Kraft und Selbstvertrauen kehren wieder zurück.
SYMPTOME
Der Körper ist der Strand am Ozean des Seins.
Sufi-Weisheit
Trauma-Symptome können permanent vorhanden sein, kommen und gehen, oder auch durch Stress ausgelöst werden. Oft bleiben sie auch jahrzehntelang verborgen und kommen plötzlich zum Ausbruch. Üblicherweise treten Symptome nicht einzeln auf, sondern erscheinen in Gruppen. Häufig werden sie mit der Zeit zunehmend komplexer und haben immer weniger Verbindung zum ursprünglichen traumatischen Ereignis.
Nachzulesen bei Peter A. Levine, Vom Trauma befreien. Wie Sie seelische und körperliche Blockaden lösen. Kösel Verlag.